Kleine Tübinger Stadtchronik

zusammengestellt von Wilfried Setzler
1000 - 1200 - 1400 - 1600 - 1700 - 1800 - 1900



Erste Besiedlung

Seit ca. 12.000 v. Chr.
Mittelsteinzeit: Früheste Spuren vorgeschichtlicher Besiedlung in und um Tübingen. Vereinzelte Artefakte auf dem Spitzberg.

Seit ca. 4000 v. Chr.
Einzelne Funde aus der Jungsteinzeit wiederum auf dem Spitzberg. Bandkeramische Siedlungsreste östlich des Ammerhofs.

1800 - 800 v. Chr.
Bronze- und Urnenfelderzeit. Fund eines Randleistenbeils unterhalb des Stauwehrs im Neckar. Brandgrab in der Südstadt östlich der Steinlach, Funde im Geigerle und Burgholz.

800 - 5. Jh.
Aus der Hallstattzeit belegen mehrere Grabhügelfelder Siedlungen im heutigen Stadtgebiet: Hallstattstraße, Waldhäuser-Ost ("Römergräber"), Lustnau.

Römer und Alamannen

Um 85 n. Chr.
Errichtung des Neckarlimes. Während in Rottenburg einer der bedeutendsten römischen Orte entsteht, sind für Tübingen die Funde aus Römischer Zeit recht gering. Eine Römerstraße (Verbindung Rottenburg-Köngen) zog auf dem linken Ammerufer durchs heutige Stadtgebiet.

6./7. Jh. n. Chr.
Wie der Ortsname durch seine Endung "ingen" belegt, gehört Tübingen zu den alemannischen Siedlungen, die ihren Namen von einem Personennamen ableiten: Tuwo, Tubo, Tuo oder Tugo. Ein alemannischer Reihengräberfriedhof befindet sich mit Grabbeigaben aus der ersten Hälfte des 7. Jh. im Bereich der heutigen Münzgasse Reitersiegel des Pfalzgrafen Hugo von Tübingen, auf dessen Schild das Tübinger Wappen erkennbar ist.

7. Jh.
Christianisierung: Grabungen in einem alemannischen Friedhof des 7. Jh. in Derendingen auf der Bernhalde brachten Goldblattkreuze als Grabschmuck zu Tage.

Die Pfalzgrafen von Tübingen

1078
Erste schriftliche Nennung Tübingens als König Heinrich IV. die Burg Hohentübingen belagerte.

Um 1081/87
Die Brüder Hugo und Heinrich, sowie deren Nachkommen nennen sich von nun an Grafen von Tübingen nach dem Ort und der Burg Tübingen, die im Mittelpunkt ihres Einflußbereiches lagen, der damals vom Nagoldgau bis zur Alb und zum Donauraum reichte. Die Entwicklung Tübingens ist für die nächsten Jahrhunderte eng mit dem Aufstieg und Niedergang dieser Grafenfamilie verbunden.

1146
Hugo von Tübingen wird in einer Urkunde König Konrad III. Pfalzgraf genannt. Amt und Würde des Pfalzgrafen (Stellvertreter des Herzogs) unterstreichen die hervorragende Stellung der Grafen von Tübingen in der Stauferzeit.

Um 1150
Im Kloster Reichenbach werden erstmals Abgaben notiert, die in "Tübinger Pfennigen gezahlt werden mußten. Von nun an mehren sich die Belege, daß der Tübinger Pfennig im Herrschaftsbereich der Tübinger Grafen im Umlauf war und als Verrechnungseinheit diente, bis er Ende des 13. Jh. zunehmend vom Heller verdrängt wurde.

1180
Ein Siegel des Pfalzgrafen Hugo zeigt als Wappen die dreilatzige Gerichts- und Lehensfahne, die auch (rot auf goldenem Grund) zum Wappen der Stadt Tübingen wurde. Noch heute tragen dieses Wappen, wenngleich mit verschiedenen Farben, als Zeichen ihrer ehemaligen Zugehörigkeit zur Familie der Grafen von Tübingen zahlreiche Städte (Herrenberg, Böblingen, Feldkirch, Tettnang) ebenso wie das österreichische Bundesland Vorarlberg oder das Fürstentum Liechtenstein.

1191
Erstmals werden Tübinger Kaufleute genannt. Beweis für das Vorhandensein eines Marktes.

1231
Tübingen wird erstmals als "civitas" (Stadt) bezeichnet.

1280
Stadtbrand bei dem ungefähr 150 Häuser abbrannten. Rascher Wiederaufbau. Die Stadt erreicht etwa den Umfang, den sie bis ins 19. Jh. hatte. Zu jener Zeit dürfte auch der Bau des für das Handwerk, Feuerlöschwesen und die Stadtreinigung wichtigen Ammerkanals vollendet gewesen sein.

1301
Die in den vergangenen Generationen rasch verarmenden Pfalzgrafen verpfänden ihre namengebende Stadt an das von ihnen gegründete Kloster Bebenhausen. Wenngleich Pfalzgraf Gottfried schon l302 das Pfand wieder einlöste, waren die nächsten Jahrzehnte von neuen Verpfändungen gekennzeichnet.

1303
Erstmals verwendet die Stadt ein Siegel, das nicht mehr den regierenden Grafen nennt, sondern selbstbewußt lautet: Sigillum civium de Tuwingen (Siegel der Bürger von Tübingen statt Siegel der Bürger des Grafen von Tübingen).

1335
Die Bürger von Tübingen übernehmen 3000 Pfund Heller Schulden der Pfalzgrafen und erhalten dafür alle Einnahmen der Stadtherren in Tübingen für 9 Jahre; zudem das Recht den Schultheißen selbst zu wählen. Dabei werden erstmals auch Juden genannt, an deren Wohngebiet noch heute die Judengasse erinnert.

1342
Die Pfalzgrafen verkaufen ihre Stadt Tübingen bzw. ihre dortigen Rechte, Nutzungen und Einkünfte an Graf Ulrich von Württemberg.

1388
Aufzeichnung des Stadtrechts.

Um 1435
Bau des zunächst zweistöckigen Rathauses am Markt, das vielerlei Um- und Anbauten erlebte: 1508 ein drittes Geschoß, 1511 eine astronomische Uhr, 1598 den bekrönenden Ziergiebel. Die heutige Fassadenmalerei ist von 1876.

1470
Neubaubeginn der Stiftskirche. Bauzeit etwa 20 Jahre. Hervorragende Ausstattung: Glasfenster im Chor von Peter Hemmel von Andlau (um 1480), Lettner, spätgotisches Chorgestühl (um 1490) reich verzierter Taufstein (1497), spätgotische Steinkanzel (1509), Altar des Dürer-Schülers Hans Schäufelein (um 1520).

Gründung der Universität

1477
Gründung der Universität durch Graf Eberhard im Bart. Das bis heute die Stadt prägende Ereignis. Bei der Eröffnung im Herbst 1477 tragen sich etwa 300 Studenten in die Univer sitätsmatrikel ein. Zahlreiche Gelehrte von abendländischem Rang sorgten schon in den ersten Jahrzehnten für den "Flor" der Universi tät: Die Theologen Biel und Summenhart, die Humanisten Vergenhans (Naukler) und Reuchlin, der Astronom und Mathematiker Stöffler, der Jurist Prenninger (Uranius), der junge Magister Melanchthon.

1482 - 89
Bau einer steinernen Brücke über den Neckar.

1495
Die Grafschaft Württemberg wird vom Kaiser zum "Unteilbaren" Herzogtum erhoben. Tübingen ist nach Stuttgart zweite Residenz.

1498
Der erste Buchdruck in Tübingen. In der Folgezeit entwickelt sich Tübingen zur Verlagsstadt.

1514
Tübinger Vertrag. Als Gegenleistung für die vor allem von Tübingen gewährte Unterstützung bei der Niederschlagung eines Aufstandes im Herzogtum ringt die württembergische Ehrbarkeit (Städtische Oberschicht) dem Herzog einen Vertrag ab, in dem erstmals im Festlandeuropa Grund- und Menschenrechte verzeichnet sind. Der Tübinger Vertrag gilt als "magna charta" Württembergs. Auf ihn bezieht sich noch Ludwig Uhland im 19. Jh. beim Verfassungskampf ums "gute alte Recht".

1519
Herzog Ulrich wird vertrieben, Württemberg kommt unter österreichische Regierung.

1534
Rückeroberung Württembergs durch den protestantisch gesonnenen Herzog Ulrich. Einführung der Reformation in Tübingen. Probleme gab es vor allem mit der Universität. Kanzler Ambrosius Widmann floh ins österreichische Rottenburg. Neue Professoren wurden berufen, darunter der berühmte Botaniker Leonhard Fuchs, nach dem später die Fuchsie benannt wurde.

1537
Überführung des 1496 verstorbenen Herzogs Eberhard im Bart nach Tübingen in den Chor der Stiftskirche, der zur Grablege der württembergischen Fürsten wird (bis 1593).

1547
Im ehemaligen Augustinerkloster wird das herzogliche Stipendium eingerichtet. Seitdem ist das "Evangelische Stift", Wohn- und Studienanstalt für rund 150 Theologiestudenten, neben der Universität mitbestimmend für den weltweiten geistesgeschichtlichen Ruf der Stadt.

1567- 86
Wirkte Primus Truber, Reformator der Slowenen, Begründer der slowenischen Schriftsprache, als Pfarrer in Derendingen.

1577
Der Tübinger Universitätskanzler Jakob Andreä einigt die zerstrittenen Lutheraner auf eine verbindliche dogmatische "Concordienformel"

1588 - 92
Bau des Collegium illustre, einer Ritterakademie. Für Jahrzehnte die bedeutendste Ausbildungsstätte des protestantischen Adels.

1589
Johannes Kepler beginnt sein Studium im Ev. Stift, bleibt bis 1594 in Tübingen.

1606
Das äußere Schloßportal nähert sich seiner Vollendung. Seit 1594 wurden die Außenanlagen verstärkt und mit Bastionen versehen.

30jähriger Krieg

1618 - 48
Im Dreißigjährigen Krieg erlitten Stadt und Universität schwere Verluste. 1634 wurde die Stadt von kaiserlichen Truppen besetzt, das Schloß übergeben. Die Pest forderte viele Opfer. 1638 waren die Schweden in Tübingen, danach wieder bayrische Truppen. 1647 sprengten französische Truppen den Südostturm des Schlosses.

1623
Professor Wilhelm Schickhard erfindet die erste mechanische Rechenmaschine der Welt.

1688
Joh. Osiander rettet die Stadt vor Plünderung und Einäscherung durch die Franzosen.

1694
Professor Rudolf Jakob Camerarius entdeckt die Geschlechtlichkeit der Pflanzen.

1722
Der Tübinger Cotta-Verlag wird Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei. 1787 übernimmt Johann Friedrich Cotta die Firma, er wird zum Verleger der deutschen Klassiker.

1777
Klassizistischer Umbau der alten Aula.

1789
Großer Stadtbrand, bei dem 64 Gebäude nördl. der Stiftskirche in Asche sanken (Neue Straße).

1790/91
Gleichzeitig studieren im Ev. Stift, im selben Zimmer Hegel, Hölderlin und Schelling.

19. Jahrhundert

1803
Umbau der Burse zur ersten Klinik in Tübingen.

1805
Vor dem Lustnauer Tor wird ein Botanischer Garten angelegt.

1807
Der kranke Hölderlin findet Aufnahme bei der Familie Zimmer im "Turm", wo er l843 stirbt.

1816 Im Weilheimer Kneiple wird der "Allgemeine Tübinger Burschenverein" konstituiert. Die Innenpolitik Württembergs ist von nun an bis 1870 mitgeprägt von den Auseinandersetzungen zwischen der Staatsgewalt und den studentischen Verbindungen, die die nationale_ Einigung anstrebten.

1817
Verlegung der Kath.-theol. Fakultät aus Ellwangen nach Tübingen. Errichtung eines Konvikts im Gebäude der ehemaligen Ritterakademie (Wilhelmsstift).

1829-31
Abbruch der Stadttore und großer Teile der Mauer. Der Raumbedarf der Universität und der sich vermehrenden Bevölkerung führt von nun an zum Ausbau der Ammer- und NeckarVorstadt. Ein sichtbares Zeichen setzt 1845 die Einweihung der Neuen Aula.

1831
Im sogenannten "Gôgenaufstand" zogen etwa 60 Handwerksburschen und Weingärtner als Protest gegen Polizeiwillkür durch die Stadt und sangen das Schiller'sche Räuberlied. Ähnlich wie im "Brotkrawall" von 1847 schlugen studentische Sicherheitswachen den Aufstand nieder.

1833
Ludwig Uhland legt seine Professur nieder.

1848/49
Vier Tübinger sind als Abgeordnete in der Frankfurter Paulskirche.

1861
Tübingen erhält Anschluß ans Eisenbahnnetz.

1875
die im 19 Jh. ansteigende Einwohnerzahl erreicht erstmals die 10.000er- Grenze

1885
Mit dem Durchbruch der Mühlstraße werden Neckar- und Ammervorstadt direkt miteinander verbunden.

1891
Gründung des Bürger- und Verkehrsvereins, der seit 1898 die Tübinger Blätter herausgibt.

20. Jahrhundert

1904
Erstmals werden Studentinnen offiziell zum Studium zugelassen.

1916
Ein Bombenangriff fordert im Bereich Hirschgasse sieben Tote.

1933
Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Gleichschaltung der Universität, Auflösung von Verbindungen und Vereinen.

1934
Eingemeindung von Derendingen und Lustnau

1938
Die Tübinger Synagoge an der Gartenstraße, 1882 eingeweiht, wurde von SA- und SS-Männern in der Nacht vom 9. zum 10. November zerstört. Damit erreichte die Verfolgung der jüdischen Mitbürger ihren ersten Höhepunkt. In den Jahren 194l und 1942 wurden die jüdischen Bürger, die nicht zwischen 1933 und 194l emigrieren konnten, in Konzentrationslager verschleppt und ermordet, nur zwei überlebten. Ein Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof nennt die Namen von 14 ermordeten Juden.

1939
Tübingen hat über 30000 Einwohner.

1945
Luftangriffe fordern 36 Todesopfer. Im Zweiten Weltkrieg waren 1219 Gefallene und 505 Vermißte zu beklagen. Tübingen wird Sitz des französischen Generalgouverneurs. Als erste Universität Deutschlands kann sie den Studienbetrieb zum Wintersemester wieder auf nehmen.

1947-52
Tübingen ist Hauptstadt des Landes Württemberg-Hohenzollern, Sitz der Landesregierung. Der Landtag tagt in Bebenhausen.

1954
Erstmals sind 5000 Studenten immatrikuliert; 1962 wurde die Zahl 10 000, 1973 15 000, 1980 20 000 überschritten.

1957/60
Bebauungsplan und Erschließung "Wanne, Morgenstelle, Herbstenhof"

1959
Städtepartnerschaft mit der Schweizer Stadt Monthey wird besiegelt. Weitere folgen: 1960 Aix-en Provence (Frankreich), 1965 Ann Arbor (USA), 1969 Grafschaft Durham (England), 1973 Aigle (Schweiz), 1984 Perugia (Italien), 1989 Petrosawodsk (Rußland).

1965
Tübingen wird in Anerkennung der vielseitigen und beispielhaften Aktivitäten auf dem Gebiet der internationalen Verständigung als dritte deutsche Stadt durch den Europarat mit dem Europapreis ausgezeichnet.

1968/69
Studentenunruhen

1971
Eingliederung von Bühl, Hagelloch, Hirschau, Kilchberg, Pfrondorf, Unterjesingen, Weilheim. Tübingen zählt nun über 70.000 Einwohner. 1974 folgt die Eingliederung von Bebenhausen.

1979
Fertigstellung des Schloßbergtunnels

1981
Einladung und Besuch ehemaliger jüdischer Mitbürger in Tübingen.

Die Gründung der Universität vor mehr als 500 Jahren gehört zu den wichtigsten Daten in der Stadtgeschichte
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